Das Wetter ist schön, die Vögel zwitschern, die Katze schläft gemütlich auf der Tastatur – und meine Motivation, einen Text zu schreiben, ist gleich Null. Viel lieber trinke ich jetzt einen Kaffee, zupfe im Garten ein bisschen Unkraut und schaue meinen Kakteen beim Wachsen zu. Tja, da ist sie, die Kröte, die vermutlich jeder hin und wieder schlucken muss. Ihr Name: Prokrastination. Oder auf Neudeutsch: Aufschieberitis. Vermutlich kennen nicht nur Schriftsteller diese fiese, kleine Kröte besser, als ihnen lieb ist. Mir jedenfalls wurde sie schon sehr früh im Leben vorgestellt.
Ich war noch im Kindergartenalter, als eines Tages eine ehemalige Arbeitskollegin meiner Mutter samt Tochter zu Besuch kam. Das Mädchen war in meinem Alter und folglich spielten wir zusammen. Irgendwann hatten wir eine tolle Idee: Mit zunehmender Begeisterung warfen wir meine sämtlichen Spielsachen vom Balkon in den Garten. Da wir im ersten Stock wohnten und die Wiese weich war, überstanden die Puppen und Autos und Bücher den Sturz unbeschadet. Als es allerdings darum ging, die Sachen wieder hochzuholen, hatten weder ich noch meine neue Freundin Lust dazu. Denn gerade war es viel wichtiger, Verstecken zu spielen. Aufräumen konnten wir später noch. Also blieben, trotzt der Ermahnungen unserer Mütter, die Spielsachen weiterhin auf dem Rasen liegen. Natürlich wurde die nächste Aufforderung ebenso missachtet wie alle folgenden. Irgendetwas war stets wichtiger als das blöde Aufräumen.
Am späten Nachmittag dann verließ mich meine neue Freundin samt ihrer Mutter. Der nun folgende Abend wurde ziemlich bitter für mich. Dick und fett saß die Kröte in meiner Zimmerecke, blähte ihre Backen auf und quakte. Ganz alleine musste ich nun sämtliche Spielsachen wieder in den ersten Stock tragen. Die erzieherische Härte meiner Mutter konnten weder Tränenausbrüche oder Wutanfälle noch akute Müdigkeitsattacken erweichen.
Die Kröte quakte noch oft in meinem Leben. Aufräumen blieb lange ein beliebtes Thema. Ebenso wie Hausaufgaben machen. Oder Vokabeln lernen. Mit der Zeit wurde es besser, die Kröte ließ sich immer seltener blicken. Aber manchmal, im Spätsommer zum Beispiel, wenn das Wetter so herrlich ist, dass man hofft, es würde für die nächsten dreihunderfünfundsechzig Tage bleiben, kommt sie hin und wieder angehoppst, braun und blasig und mit einem breiten Grinsen ums Maul. Dann weiß ich, dass ich mich in Acht nehmen muss. Dann weiß ich, dass es Zeit wird für diese eine, ganz bestimmte Aufgabe.
Quak.